Alle News
Mehr (Tages-)Licht

Gedanken zur neuen Tageslichtnorm EN 17037 

Auch wenn Goethe am Sterbebett je nach Quelle einen Nachttopf forderte oder sich lediglich über eine unbequeme Liege beschwerte [„Mer lischt (hier so schlächt)“, also: „Man liegt hier so schlecht“], so ist das Begehren nach „Mehr Licht“ wohl des Dichters bekanntestes Zitat. 

Diesen Wunsch griff auch das technische Komitee „CEN/TC 169” auf und verabschiedete nach langjähriger Arbeit mit der EN 17037 die erste europaweit gültige Norm zu „Tageslicht in Gebäuden“. Seit Anfang des Jahres ist diese Norm nun europaweit in Kraft und ersetzt unterschiedliche nationale Normen oder schließt die Lücke dort, wo es bisher keine Normen gab. 

Was regelt diese neue Norm? 

Die EN 17037 gibt Empfehlungen zur Tagesbelichtung von Gebäuden, wobei drei Qualitätsstufen (gering, mittel, hoch) unterschieden werden. Vier wesentliche Aspekte werden angesprochen, für die mittlere Stufe wird gefordert: 
 

  • Eine ausreichende Tageslichtversorgung in Räumen, wobei z. B. für vertikale Tageslichtöffnungen 500lx auf 50% der Fläche und 300lx auf 95% der Fläche über jeweils 50% der jährlichen Tageslichtstunden gegeben sein müssen.
  • Um eine Verbindung zum Außenraum zu ermöglichen und damit Benutzern im Raum Informationen zur Umgebung zu liefern, werden geometrische Vorgaben zu Tageslichtöffnungen und damit für die Aussicht definiert. Für eine als Mittel bewertete Aussicht muss eine Außensichtweite von mehr als 20m (z.B. die Distanz zur Außenfassade des Nachbargebäudes) sowie ein horizontaler Sichtwinkel von mindestens 28° nachgewiesen werden. Außerdem muss neben der Landschaftsebene noch eine weitere Ebene – entweder Himmel oder Boden – von mindestens 75% des genutzten Bereichs aus zu erkennen sein.
  • Das Qualitätskriterium der Besonnung wird für Patientenzimmer, Spielzimmer und Wohnräume festgelegt. Die Besonnungsdauer auf einem Bezugspunkt auf der inneren Oberfläche der Tageslichtöffnung an einem gewählten Datum zwischen 1. Februar und 21. März soll mindestens 3 Stunden betragen. 
  • Blendschutzvorrichtungen sollen für alle Räume mit Tageslichtöffnungen verwendet werden. Insbesondere ist der Blendschutz für Räume zu bewerten, in denen Aktivitäten wie Lesen, Schreiben oder die Nutzung von Anzeigegeräten stattfinden. Ein DGP-Wert („Daylight Glare Probability“) von 0,40 darf maximal in 5% der jährlichen Nutzungsdauer des Raums überschritten werden.

Wie man sieht, ist das sehr kompliziert, und kann wohl nur mehr von Experten mit komplexen Ganzjahressimulationen nachgewiesen werden. Und was noch auffällt: der Tageslichtquotient (TQ) hat wohl langfristig ausgedient (auch wenn eine „Hintertür“ dazu offengelassen wurde in Form einer vereinfachten und fachlich fragwürdigen TQ-Methode).

Und welche Auswirkungen hat die neue Norm auf die Tageslichtplanung?

Die Empfehlungen zeigen zwei Dinge sehr deutlich: Einerseits ist die neue Norm EN 17037 ein äußerst komplexes Regelwerk, das eine entsprechend tiefgehende Beschäftigung und Interpretation erfordert. Andererseits sind die definierten Ziele zum Teil äußerst ehrgeizig. Wurden zum Beispiel bisher in der deutschen Norm DIN 5034 Tageslichtquotienten von 0,9% (damit Raum überhaupt als tagesbelichtet gilt) bzw. 2% (für ausreichende Tagesbelichtung) empfohlen, so liegt der vergleichbare Wert für Deutschland nach der neuen Norm bei 2,2% (Empfehlungsstufe gering), 3,6% (mittel) oder 5,4% (hoch). Gleichzeitig stellen die Vorgaben den Lichtplaner vor neue Aufgaben, denn kaum eine kommerzielle Software liefert Auswertungen zu allen Forderungen.  

Einen überaus positiven Nebeneffekt bringt die neue Norm aber jedenfalls mit sich. Die Diskussion über Tagesbelichtung von Gebäuden wird wohl wieder intensiver unter Lichtplanenden, Architekten und Bauherren geführt und die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema gesucht. 

Bartenbach hat sich der neuen Norm ebenfalls angenommen. So wurden zum Beispiel hausinterne Softwarepakete erweitert, um alle Auswertungen gemäß EN 17037 durchführen zu können. Gleichzeitig bestätigen diese geforderten Werte die von Bartenbach seit jeher gestellten hohen Anforderungen an die Tagesbelichtung von Gebäuden. Nur so kann eine nutzer-zentrierte Lichtplanung erfolgen, die am Ende zu mehr Gesundheit und visuellem Komfort in den Gebäuden führt. 

In diesem Sinne umfasst Goethes Zitat wohl beides: die Aufforderung nach einer extensiveren Nutzung von Tageslicht, um biologische Lichtwirkungen und visuellen Komfort zu erzielen, als auch den Wunsch nach einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema an sich: „Mehr (Tages-)Licht!“. 


Ihr persönlicher Kontakt: 

anna.pichler@bartenbach.com, frank.bunte@bartenbach.com